Borkener Zeitung vom 13. Januar 2024

Veröffentlicht am 26. Januar 2024 in der Kategorie Presse

Mein Freund, der Baum

Von der Last der Jahrhunderte gebeugt steht sie da, auf Holzkrücken gestützt: die Erler Femeiche. Sie und weniger bekannte, aber ebenso eindrucksvolle „Kolleginnen“ der Eiche hat Marianne Bellenhaus im Bild festgehalten. Und daraus eine Foto-Ausstellung gemacht.

„Bäume“, sinniert die Künstlerin, „sind unsere Brüder, und sie erzählen uns Geschichten.“ Wo sie geht und steht, hat Bellenhaus ihre Kamera dabei. Und das schon seit Jahrzehnten. Ihre Fotobücher, die inzwischen zu einer stattlichen Sammlung angewachsen sind, spiegeln nicht nur ihren künstlerischen Ansatz wider, sondern enthalten auch Borkener Zeitgeschichte. Das alte Bahnhofsgebäude zum Beispiel oder die Mietshäuser an der Hawerkämpe , nicht zu vergessen die Häuserzeile an der Mühlenstraße hat Bellenhaus, die in ihrem aktiven Berufsleben Schulleiterin in Dorsten war, ebenso dokumentiert wie das neu entstehende Mühlenquartier. Ein besonderes Faible hat sie für Lost Places entwickelt. Orte, die dem Verfall ausgesetzt sind und bei näherem Hinsehen ihren ganz eigenen Charme entfalten. Wo was bröckelt und blättert, rumliegt und rostet, verwildert und verfällt, da ist sie zur Stelle. Kacheln, Fenster, altes Inventar – all diese Dinge erzählen die Geschichte vom Nicht-mehr-gebraucht-werden. „Fotos sind Lichtbilder“, sagt Marianne Bellenhaus und sie meint das ganz wörtlich. Ein gutes Beispiel dafür ist die Aufnahme mit der Trauerweide am Pröbstingsee. Die Sonne, die sich durch den Nebel Bahn bricht, lässt den Baum, der sich im Wasser spiegelt, nur noch majestätischer wirken. Am liebsten fotografiert sie Eichen und Co. während der „kahlen„ Jahreszeit. Im unbelaubten Zustand würden die Verästelungen und damit die grafischen Strukturen der Bäume viel besser sichtbar werden. Auch die Borken und Rinden sind für Marianne Bellenhaus lohnende Motive, regen doch die eigentümlichen Verwachsungen die Fantasie an.

Fotogenen Bäumen läuft Marianne Bellenhaus nicht nur in Borken über den Weg. Auf ihren Streifzügen ist sie unter anderem in Berlin fündig geworden. Das Exemplar, das sich mitten auf dem Potsdamer Platz und vor der silbrigen Fassade der Deutsche Bahn-Zentrale einsam in die Höhe reckt – für Marianne Bellenhaus ist das ein klarer Fall. „Da muss ich zur Kamera greifen“, sagt sie.

Die Ergebnisse ihrer jahrelangen Fotopirsch hat die pensionierte Pädagogin neulich im Wedemhoveturm am Stadtpark präsentiert. Der Ausstellungsort lag insofern nahe, als dass der Turm seit vielen Jahren dem Natur- und Vogelschutzverein als Quartier dient. Nach der großen Resonanz auf die Schau in den drei Turmzimmern zeichnet sich eine Fortsetzung ab. Zu sehen sein könnten Bellenhaus‘ „Baumgeschichten“, so der Titel der Ausstellung, demnächst auch in der Schlossklinik Pröbsting – in deren Nähe die künstlerische Fotografin ebenfalls schon eindrucksvolle Exemplare entdeckt hat.

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