Uhu unternimmt „Hausbesuch“
Familie Nachbarschulte flog seltene Eule zu
Von Peter Berger
Seltenen Besuch hat Josef Nachbarschulte seit ein paar Tagen bei sich auf dem Hof. Aus heiterem Himmel flog der ungewöhnliche Gast abends ein, machte zunächst keinen Piep, war aber erstaunlich zutraulich. Nach Ausflügen in die Umgebung kehrte er zielsicher zu den Nachbarschultes zurück. Die Rede ist von einem Uhu.
„Ich züchte schon seit 60 Jahren Vögel, aber ein Uhu ist mir noch nicht untergekommen“, staunte der Landwirt (72) beim ersten Anblick des majestätischen Tieres nicht schlecht. Der Uhu steuerte wohl nicht von ungefähr immer wieder seinen Hof an. Hinter dem Kuhstall stehen viele Volieren, in denen Nachbarschulte nicht weniger als 16 FasanenArten und anderes Ziergeflügel hält. Die könnten eine potenzielle, aber durch die Gitter unerreichbare Beute für die große Eule sein.
Bis auf wenige Meter kann man sich dem etwa 60 Zentimeter großem Vogel nähern, bevor er seine Schwingen ausbreitet, lautlos durch die Luft gleitet und in sicherer Entfernung auf der Wiese wieder landet. Woher der Uhu kommt, weiß Nachbarschulte nicht. Um eine Verwechslung mit anderen Arten auszuschließen, ließ er sich seine Entdeckung vom Heidener Landschaftswart Gerhard Weber bestätigen: „Ich war völlig überrascht“, so Weber, der ehrenamtlich Wald, Feld und Flur im Blick behält. Weil dieser Eule die Scheu fehle, könnte es sich vielleicht um ein an Menschen gewöhntes Exemplar handeln, das aus einem Tier- oder Vogelpark entwichen sei. Aber das sei pure Spekulation. Wahrscheinlicher ist, dass der Uhu tatsächlich einer Brut im Umland entstammen könnte.
Galt der Vogel, zu dessen Beute Mäuse, Ratten und Kaninchen zählt, in den 1970er Jahren als ausgestorben, so gehen Experten inzwischen von 250 bis 300 Paaren in NRW aus. Auch in den Wäldern der Hohen Mark ist der stattliche Vogel bereits nachgewiesen worden. Auf Betreiben der Biologischen Station Kreis Recklinghausen wurden bereits spezielle Nisthilfen angebracht.
Auch im Borkener Stadtgebiet haben Mitglieder des Natur- und Vogelschutzvereins bereits ein Brutpaar beobachten können. „Der Uhu ist wie andere Großvögel auch wieder häufiger anzutreffen“, weiß zweiter Vorsitzender Hans-Wilhelm Grömping zu berichten. Einerseits scheinen sich jahrzehntelange Naturschutzbemühungen auszuzahlen, andererseits sei der Uhu, ursprünglich ein Felsenbewohner, recht anpassungsfähig und finde inzwischen selbst in Ballungsräumen hier und da sein Auskommen, so Grömping.
Bis auf weiteres können sich Josef Nachbarschulte und seine Tochter Birgit noch an dem seltenen Anblick erfreuen. Die Enkelkinder Pia und Thea verlieren unterdessen die Scheu vor dem stattlichen Tier mit dem durchdringenden Blick. Irgendwann aber wird sich „Hans“, wie Nachbarschulte „seinen“ Uhu genannt hat, wohl auf Nimmerwiedersehen auf- und davonmachen.